Jugendstrafverfahren

Das Jugendstrafrecht gilt gem. § 1 JGG bei Jugendlichen und Heranwachsenden.
Jugendlicher ist, wer zum Zeitpunkt der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre ist.
Die Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende bestimmt sich nach § 105 JGG. Danach ist Jugendstrafrecht anzuwenden, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

Sinn und Zweck des Jugendstrafrechts ist der Erziehungsgedanke.
Daher sind mögliche Rechtsfolgen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe.
Häufig ausgesprochene Rechtsfolgen sind: (Weisungen gem. § 10 JGG auszugsweise)

  • bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
  • eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
  • Arbeitsleistungen zu erbringen,
  • sich der Betreuung und Aufsicht bestimmter Personen zu unterstellen (Betreuungshelfer),
  • an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
  • sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
  • an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

Auflagen gem. § 15 JGG:

  • nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
  • sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
  • Arbeitsleistungen zu erbringen oder
  • einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
  • Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

Möglich ist auch ein Jugendarrest gem. § 16 JGG als Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest. Der Dauerarrest darf höchstens vier Wochen dauern.

Die schärfste Rechtsfolge im Jugendstrafrecht ist die Jugendstrafe.
Voraussetzungen für die Verhängung von Jugendstrafe sind gem. § 17 JGG schädliche Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

Bei „schädlichen Neigungen“ handelt es sich nach überwiegenden Ansicht um Mängel, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weitere Straftaten in sich bergen, die nicht nur „gemeinlästig“ sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben. Die „schädlichen Neigungen“ müssen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch vorliegen.


Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter gem. § 17 JGG die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen.

Bei „Schwere der Schuld“ ist der Grad strafrechtlicher Verantwortlichkeit bzw. der Schuldfähigkeit zu beachten. Es ist der Grad der geistigen und sittlichen Reife des Täters zu berücksichtigen. Bei Prüfung der Schwere der Schuld spielt die Schwere des durch die Tat verursachten Schadens eine nicht unerhebliche Rolle.

Der BGH lässt die Verhängung von Jugendstrafe allein wegen „Schwere der Schuld“ in der Regel nur dann zu, wenn dies auch aus erzieherischen Gründen erforderlich ist.

Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt gem. § 18 JGG sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre.
Gem. § 21 JGG können Jugendstrafen, die zwei Jahre nicht übersteigen, zur Bewährung ausgesetzt werden.

Für die Verteidigung von besonderer Bedeutung ist das Absehen von der Verfolgung gem. § 45 JGG durch den Staatsanwalt, bzw. gem. § 47 JGG durch den Richter.
Danach können Staatsanwalt bzw. Richter von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 StPO vorliegen, d.h. das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand hat, also eine Tat die nach allgemeinen Strafrecht im Mindestmaß mit einer Strafe von unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht ist, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.


Ferner können sie von der Verfolgung absehen, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist, oder sich der Jugendliche bemüht hat, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
Die Einstellung gem. § 45 JGG wird auch als Diversionsverfahren bezeichnet.
Zu den diversionsgeeigneten, also einstellungsgeeigneten Delikten gehören z.B.:

  • Missbrauch von Notrufen
  • Erschleichen von Leistungen (Schwarzfahren)
  • Verstöße gegen das Verkehrsstrafrecht, wie z.B. Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
  • leichte Fälle der Nötigung und Bedrohung, Beleidigung
  • Sachbeschädigung
  • Hausfriedensbruch
  • Eigentums- und Vermögensdelikte, wie z.B. Diebstahl und Unteschlagung
  • Körperverletzung bei geringer Schuld und leichten Folgen
  • leichte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz
  • geringfügige Vergehen gegen das Waffengesetz/Urheberrechtsgesetz
  • Urkundenfälschung